Wer die offizielle Kommunikation der Marktgemeinde, die Webseiten der ÖVP und der GRÜNEN oder den Social Media Auftritt der Bürgermeisterin verfolgt, bekommt den Eindruck, dass wir in Perchtoldsdorf biedermeierliche Ruhe genießen. Wohlfühlthemen dominieren dort seit Monaten. Von den „heißen Eisen“ oder gar von Veränderungsbedarf liest man wenig.
Ganz deutlich zeigt das die Zusammenfassung der letzten Gemeinderatssitzung vom Juni durch die Gemeinde: „Sommerliche Gemeinderatssitzung in der Burg Perchtoldsdorf - Kultur- und Musikthemen sorgten für gute Stimmung“, liest man dort. Anscheinend hebt es die Stimmung von ÖVP und GRÜNEN, wenn sie drei dringliche Anträge der NEOS, der SPÖ und der Bürgerliste niederstimmen und einen der FPÖ aus formalen Gründen von der Tagesordnung nehmen können.
„Weitere Schwerpunkte dieser Sitzung betrafen Förderungen und Naturschutz.“ liest man weiter auf der Gemeindehomepage. Kein Sterbenswörtchen darüber, was bei anderen wichtigen Themen weitergeht. Was tut sich bei den PV-Anlagen für die gemeindeeigenen Gebäude, der Petition an die Frau Umweltminister für mehr „Lärmschutz A21“, der Umsetzung des Mobilitätskonzepts oder der Digitalisierung in der Verwaltung? Irgendwie hat man den Eindruck, dass alle wichtigen Dinge für nächstes Jahr aufgehoben werden, damit man vor den im Jänner 2025 anstehenden Gemeinderatswahlen dann ein Feuerwerk an „Erfolgen“ zünden kann. Oder ist es einfach die Hoffnung, dass das alles die Bürger_innen eh nicht interessiert? Auffallend: die Auswahl der Themen, über die auf der Gemeindehomepage berichtet wird, ist 1:1 die gleiche wie die auf der Webseite der ÖVP Perchtoldsdorf. So ein Zufall.
Aber schön der Reihe nach. Fangen auch wir mit den Sommerspielen an. „Bürgermeisterin Andrea Kö lud die Anwesenden zu Beginn der Sitzung zur Premiere ein“ heißt es dort. Keine Sorge, es gibt keine Freikarten für Gemeinderät_innen. Wir NEOS möchten uns lieber bei den Bürger_innen, die die Sommerspiele 2023 mit insgesamt €280.000,- sponsern, als bei der Bürgermeister_in bedanken. Wie setzt sich dieser Betrag zusammen? €110.000,- kommen vom Land NÖ, €120.000,- trägt die Marktgemeinde bei. Und im März hat die Gemeinde als „Inflationsabgeltung“ die Förderung noch rasch um €50.000,- aufgestockt.
Die Sanierung der Wasserrutsche im Freizeitzentrum kann die Marktgemeinde gut eine halbe Million Euro kosten. Es wundert einen schon, dass bei einem für Perchtoldsdorfer Verhältnisse großen Projekt recht leichtfertig an das Thema herangegangen wird. Die Gemeinde schreibt auf Ihrer Homepage „Einstimmig beschlossen wurde die notwendige Erneuerung der in die Jahre gekommenen Röhrenrutsche des Perchtoldsdorfer Freizeitzentrums“. Das ist falsch. Beschlossen wurde die „Fachplanung und Bauaufsicht für die Erneuerung der Röhrenrutsche“. Erst danach kann über den Umfang der Erneuerung entschieden werden. War da der Wunsch der Vater des Gedankens?
Die Befürchtung, dass man es bei diesem Projekt, das in die Verantwortung der GRÜNEN fällt, mit den Kosten nicht ganz so genau nehmen wird, ist leider gerechtfertigt. Obwohl weder das genaue Ausmaß der Sanierung und somit auch die Kosten noch nicht feststehen, wollte man mit dem Planer ein Pauschalhonorar für den maximalen Projektumfang inklusiver aller Optionen vereinbaren. Ohne Vorkehrungen dafür zu treffen, dass es Nachlässe gibt, wenn Teile des Projekts nicht umgesetzt werden. Ich habe das angesprochen und dieser Hinweis der NEOS ist Gottseidank bei dem Fraktionsobmann der ÖVP auf fruchtbaren Boden gefallen. Er hat zugesagt, dass der Vertrag in diesem Punkt nachgebessert wird.
Wenn man es bei den eigenen Anträgen schon nicht so genau nimmt, nehmen es die GRÜNEN wenigstens beim Antrag der NEOS zum Thema Alltagsradeln ganz genau. Anstatt endlich selbst aktiv zu werden und dafür zu sorgen, dass die notwendigen Ressourcen für die Umsetzung seit Jahren im Ausschuss besprochener Maßnahmen zur Verfügung stehen, echauffiert sich der grüne Vizebürgermeister lieber über formelle Mängel im NEOS Antrag. Faktum ist: anstatt den Ball aufzunehmen und endlich vom Reden ins Tun zu kommen, soll wieder alles in den Ausschuss verwiesen und dort zerredet werden. Die Argumentation für diese Vorgehensweise ist nur dann nachvollziehbar, wenn man annimmt, dass ÖVP und GRÜNE den NEOS Antrag
- nicht gelesen haben (Überheblichkeit?)
- nicht verstanden haben (Inkompetenz?) oder
- einfach nicht umsetzen wollen, weil er von der Oppostition kommt (Parteiräson wichtiger als Sachpolitik?).
Wie einfach es gehen könnte, das Alltagsradeln in Perchtoldsdorf attraktiver zu machen, darüber habe ich ja schon ausführlich in meinem Blog geschrieben.
Eine Initiative der SPÖ, einen Zuschuss zum Semesterticket für Studierende und Lehrlinge aus Perchtoldsdorf zu leisten, wurde ebenfalls abgewürgt. Das ist nur konsequent von ÖVP und GRÜNEN, denn ein fast gleichlautender Antrag der NEOS wurde bereits im März 2022 (!) niedergestimmt. Damals wurden wir von der Bürgermeisterin sehr emotional gefragt, ob wir uns überhaupt bewusst wären, was so etwas kosten würde. Ja, sind wir uns – wir rechnen, dass dafür rund €20.000,- notwendig wären. Wenn ich mir vor Augen halte, wie spendierfreudig die ÖVP bei anderen Themen ist, die ihr anscheinend wichtiger sind, ein Klacks.
Ein immer spannendes Thema ist und bleibt die Bauordnung. Die Bürgerliste stellte einen Antrag, die bestehende Bausperre auszuweiten. Wir NEOS glauben, dass die Gemeinde keine anlassbezogenen Anordnungen bei so einem sensiblen Thema erlassen sollte, sondern sich in den kommenden Monaten seriös mit dem Thema auseinandersetzen sollte. Die derzeitigen Bebauungsvorschriften entsprechen unserer Ansicht nach nicht den Erfordernissen einer zukunftsorientierten Ortsentwicklung, die die Anforderungen der nächsten Generationen berücksichtigt.
Auch die Behebung vieler, zum Teil unverständlicher, Fehler aus der Vergangenheit bei diesem Thema sollte endlich angegangen werden. Die anstehende Neubesetzung der Bauamtsleitung und die Neuausschreibung für das beratende Raumplanungsbüro wären eine gute Gelegenheit dafür. Auch wenn es einem die Fraktionschefin der Bürgerliste meist durch die untergriffige Art und Weise, in der sie ihre Themen vorbringt, schwer macht ihre Initiativen zu unterstützen – in Bauangelegenheiten hat sie oft einen Punkt. Der Anlassfall liegt zwar bereits gut 10 Jahre zurück. Trotzdem wäre es interessant zu wissen und ist schwer nachzuvollziehen, wieso eine offensichtlich gesetzwidrige Grundstücksteilung von den Zuständigen überhaupt in Erwägung gezogen wurde. Warum holt der gut dotierte Leiter der Bauamts in den letzten Wochen eine Rechtsmeinung vom Land Niederösterreich ein, um eine klipp und klar formulierte Gesetzesbestimmung „richtig“ zu interpretieren?
Sorry, Frau Bürgermeisterin und Herr Vizebürgermeister, wenn wir NEOS Euch jetzt mit diesen kleinlichen Bemerkungen die gute Sommerlaune trüben sollten. Bitte sammelt über den Sommer Kraft, damit im Herbst endlich etwas weitergeht.
In diesem Sinne einen schönen Sommer!