„Seid ihr alle da, liebe Kinder ... und vor allem: liebe Lehrerinnen und Lehrer?“. Immer mehr Schulklassen werden nicht von ausgebildeten Lehrkräften oder berufserfahrenen Akademiker:innen unterrichtet, sondern von jungen Studierenden, die vor kurzem selbst noch die Schulbank gedrückt haben und noch mitten im Lehramtsstudium stecken. Was kurzfristig den Lehrermangel lösen soll, verschärft ihn mittelfristig noch mehr, weil schlecht vorbereitete Junglehrer:innen immer öfter überfordert das Handtuch werfen und in andere Branchen wechseln.
Unsere Gesellschaft erlebt derzeit einen massiven demographischen Wandel: Die starken Jahrgänge der „Babyboomer“-Generation gehen in Pension, geburtenschwächere Jahrgänge rücken nach. Was im Pensionssystem eine immer größere Lücke aufreißt - der Staat muss heuer 23 Mrd. aus dem Budget zuschießen, Tendenz steigend - bringt auch einen wachsenden Fachkräftemangel in immer mehr Branchen mit sich. In kaum einem anderen Berufsfeld war dieser Mangel so gut vorhersehbar wie im Schulwesen, denn der Bedarf an Lehrpersonen hängt nicht von Marktschwankungen ab. Wie viele Schüler:innen in zehn Jahren die Mittelschulen und Gymnasien bevölkern werden, ist heute schon bekannt, denn die Kinder wurden bereits geboren. Auch Zuwanderung sollte nicht mehr überraschen.
Dennoch haben rote und schwarz-türkise Bildungsminister:innen der Entwicklung seit vielen Jahren tatenlos zugesehen. Da die Lücken nun nicht mehr zu kaschieren sind, wurde vor dem Sommer noch schnell die gesetzliche Grundlage für mehr Quereinsteiger_innen geschaffen. Doch ist das der rich- tige Ansatz, Quereinsteiger_innen als Lückenfüller zu verstehen?
Drei Ansätze, um den Beruf attraktiver zu machen
Wir NEOS sehen das anders: Es braucht insgesamt ein neues Verständnis des Lehrer:innen-Berufs, um diesen wieder attraktiv zu machen. Die Durchlässigkeit aus anderen und in andere Berufe ist ein Baustein davon. Nicht um Lücken zu füllen, so dern weil ein vielfältiger Erfahrungsschatz jedem Lehrerteam und dessen Schüler_innen gut tut. Dazu kommt, dass für multiprofessionelle Unterstützung gesorgt werden muss - etwa durch mehr Schulpsycholog:innen, Sozialarbeiter:innen und Inklusionspädagog:innen.
Ein weiterer Baustein ist die Frage, wie Engagement wertgeschätzt und belohnt wird. Lehrpersonen, die mehr leisten, initiativ sind, sich weiterbilden und ihre Schüler:innen zu Erfolgen führen, sollen auch mit Karrrieremöglichkeiten und Gehaltssteigerungen belohnt werden. Im Englischen gibt es den Begriff des Lead Teachers, der ein Team leitet und unterstützt und damit aktiv zur Weiterentwicklung der Schulqualität beiträgt.
Zu einem neuen Verständnis von Schule und Lehramt zählt schließlich auch, dass wir unser büro- kratisch-hierarchisches Schulverwaltungssystem überwinden und echte Schulautonomie schaffen müssen. Wer Schulautonomie ernst nimmt, muss Schulbürokratie abbauen. Bisherige Autonomie- pakete lassen dies vermissen. Lehrer:innen und Schulleiter:innen sollen als Profis selbst entschei- den dürfen, statt „von oben“ mit Erlässen und Verordnungen traktiert zu werden.
Der Lehrer:innen- und Pädagog:innen-Beruf ist der wichtigste der Republik. Wer mit unseren Kindern arbeitet, schafft Zukunft. Für diese Aufgabe brauchen wir die Besten, und der Job muss so attraktiv werden, dass ein Schulbeginn ohne Lehrermangel wieder zur Selbstverständlichkeit wird. Das gilt im Übrigen auch für den Kindergarten!