Freude am Lernen, selbstständiges Denken, die Begleitung eines jeden Kindes zu einem intelligenten und ausgeglichenen Menschen – das sind nur drei Ziele, die uns bei unseren Schulbesuchen immer wieder begegnet sind. An oberster Stellte steht das Wohlbefinden - wellbeing. In Finnland gibt es ein mehrstufiges Unterstützungssystem für die Schüler:innen. Schulpsycholog:innen, Schulsozialarbeiter:innen und Schoolnurses gehören hier ebenfalls zum Alltag wie Lehrkräfte. Auf meine Frage, wie oft die Schulpsychologin an der Schule ist, kam ein verständnisloser Blick der Direktorin. „Every day. From 8am to 4pm“. Als ich ihr gesagt habe, dass in Österreich ein paar Tausend Schüler:innen auf eine:n Schulpsycholog:in kommen, wandelte sich ihr Blick von verständnislos zu mitleidig. „So, then they can only focus on the hard cases in Austria”, war ihre Antwort. Ja, für die “leichteren” Fälle gibt es bei uns so gut wie keine Unterstützung.
Eine weitere sinnvolle Errungenschaft ist das gemeinsame warme und kostenlose Mittagessen an jeder Schule. In vielen Familien würde nicht mehr jeden Tag frisch gekocht werden, daher übernimmt auch hier die Schule einen wichtigen Beitrag. Eine Schulleiterin hat es folgendermaßen kommentiert: „Nur wer nicht hungrig ist, kann lernen.“ Ein pragmatischer und guter Zugang, wie ich finde.
Den Kindern was zutrauen! Selbstbestimmtes und selbstgesteuertes Lernen sind an der Tagesordnung. Nicht erst in der Oberstufe können Schüler:innen Fächer selbst wählen. Der Stundenplan wechselt teilweise alle sieben Wochen, um Projektunterricht oder längere Einheiten zu ermöglichen. Auch das entscheidet die Schule. Es gibt freie Zeitfenster, für die sich die Schüler:innen Lernziele stecken können. In Estland gibt es an vielen Schulen mittlerweile ab der 1. Schulstufe einen sogenannten „Independent learning day“ – je nach Alter einen Tag pro Woche oder für die Jüngeren pro Monat, an dem die Schüler:innen außerhalb der Schule – zu Hause, bei den Großeltern, gemeinsam mit Schulfreund:innen – Arbeitspakete online bearbeiten. Auf meine Frage, ob das bei Eltern jüngerer Kinder immer gut ankommt, bekam ich folgende Antwort: „Natürlich gibt es Eltern, die diesen Tag nicht wollen, weil ihre Kinder Schwierigkeiten beim selbstständigen Erarbeiten der Lernpakete haben. Ich sage diesen Eltern dann immer, dass wenn ihr Kind in Mathematik noch nicht so weit ist wie andere Kinder, dann hören wir mit Mathematik ja auch nicht auf, sondern versuchen diesem Kind mehr Ressourcen zu geben, damit es sich verbessert oder leichter tut.“
Es gibt noch eine Reihe weiterer Aha-Erlebnisse, die wir auf unserer Reise gehabt haben. In meinen nächsten Blogs möchte ich den „Selbstlern-Tag“ näher erklären, auf die vor allem in Estland selbstverständliche Digitalisierung im Bildungsbereich eingehen und schildern, welche Rahmenbedingungen Lehrer:innen vorfinden, um gut unterrichten zu können.
Dass Schulautonomie, Chancengerechtigkeit, Innovation und Digitalisierung keine bildungspolitischen Fremdwörter sind, sondern auch Realität sein können, haben wir in beiden Ländern eindrucksvoll bestätigt bekommen. Während sich Österreich seit Jahrzehnten einem ideologischen Kampf hingibt und das Verbleiben in der Mittelmäßigkeit schon als Erfolg sieht, sind wir NEOS motivierter denn je, Österreich auf den Weg zum Bildungsweltmeister zu bringen. All das, was seit unserer Parteigründung im Programm steht, funktioniert – siehe Finnland und Estland.
Reisen bildet - es würde einigen Entscheidungsträger:innen guttun, über den bildungspolitischen Tellerrand zu schauen und best practice Beispiele in anderen Ländern kennenzulernen. Falls du auch interessante internationale Beispiele hast, lass es mich gerne wissen!