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Ein Konzept ohne Konzept – Planlosigkeit mit Ansage

Warum das örtliche Entwicklungskonzept mehr verschleiert als gestaltet.

Am 16. Juni 2025 wurde das neue örtliche Entwicklungskonzept (ÖEK) der Stadtgemeinde Stockerau offiziell vorgestellt. Beauftragt wurde es von der Stadtgemeinde beim Ziviltechnikbüro RaumRegionMensch. Erwartet wurde ein strategischer Zukunftsplan – geliefert wurde ein Sammelwerk aus Ist-Zuständen, Floskeln und unklaren Absichten. Wer sich echte Leitlinien für die künftige Entwicklung erhofft hat, wird enttäuscht.

Fachkonzepte ohne Substanz

Das ÖEK basiert formal auf fünf Fachkonzepten:
- Siedlungsentwicklungskonzept
- Infrastruktur- und Verkehrskonzept
- Energie- und Klimakonzept
- Betriebsstättenkonzept
- Landschafts- und Freiraumkonzept

Was ambitioniert klingt, entpuppt sich inhaltlich als weitgehend zahnlos. Das Papier enthält vage Richtungen („Wenn neue Siedlungen, dann dort“) und Beschreibungen („Verkehrsachsen verlaufen hier“), aber keine echten Planungsziele, keine konkreten Projekte, keine Lösungsansätze für zentrale Herausforderungen wie Klimawandel, Mobilität oder Raumentwicklung.

Welche Ideen aus welchen Fachkonzepten es letztlich mit welcher Begründung ins ÖEK geschafft haben – und welche bewusst nicht – wurde vom politischen Gremium entschieden, bevor NEOS wieder im Gemeinderat vertreten war. Transparenz? Fehlanzeige. Auch dieser Auswahlprozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Weder externe Fachleute noch Bürger*innen konnten mitreden, obwohl genau hier die Weichen für die Zukunft gestellt werden.

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Eine bessere Qualität können wir leider nicht anbieten – eine digitale Version des ÖEK wird nicht zur Verfügung gestellt

Beteiligung? Aber bitte nicht zu laut.

Die Möglichkeit zur Beteiligung der Bevölkerung wirkt fast symbolisch: Bis Ende Juni – also weniger als zwei Wochen nach der Vorstellung – können Bürger*innen Stellungnahmen einbringen. Viel schwerer wiegt jedoch: Das Konzept ist nicht online einsehbar.

Woher diese Frist für Stellungnahmen kommt und warum diese so kurz ausfällt, konnte uns auch Stadtrat Rosenberger nicht beantworten.

Auf Rückfrage beim Bereichsleiter für Bauen, Infrastruktur und Umwelt, ob man die Unterlagen digital abrufen kann, kam lediglich: „Na, könnens ned.“

Beim zuständigen Stadtrat Rosenberger, Vorsitzender des Ausschusses für Bauwesen und Stadtentwicklung, fiel die Antwort erst nach mehrfachem Nachfragen: „Das wurde im Gremium so beschlossen.“ – Eine Antwort, wenn auch keine allzu befriedigende.

Warum die Geheimhaltung? Man kann nur mutmaßen. Wer Zugang möchte, muss persönlich und während der Amtsstunden ins Bauamt. Eine echte öffentliche Diskussion sieht anders aus.

Auf Nachfrage bei den Konzepterstellern, habe man gar kein Problem damit das „Konzept“ auch digital zu bekommen – es scheint also definitiv ein politisches Motiv hinter dieser Geheimhaltungstaktik zu stecken.

Verkehr: vage Absichten statt Lösungen

Beim Thema Verkehr enttäuscht das ÖEK besonders:

- Die Verkehrsstärke soll gehalten oder reduziert werden – doch konkrete Maßnahmen dazu fehlen völlig.

- Die Stärkung wichtiger Verkehrsachsen, also der Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen mitten durch das Zentrum, steht im Widerspruch zu jeder ernsthaften Entlastungsstrategie.

- Die oft genannte Umfahrungsspange Nord wird nicht etwa als Projekt gesichert – lediglich das Gebiet soll reserviert werden. Ob sie überhaupt realisierbar ist, bleibt fraglich – die Flächen sind größtenteils in Privatbesitz.

- Vorschläge wie eine Einbahnregelung auf der Hauptstraße sind nicht zu Ende gedacht – ein Konzept für die Rückrichtung? Fehlanzeige. „Müssen wir uns dann anschauen“ – ist kein Ersatz für vorausschauende Planung.

- Auch der Ausbau der Autobahnabfahrt Stockerau-Mitte wird als Maßnahme zur Entlastung des Stadtzentrums genannt – wie genau dieser Ausbau aber zur Verkehrsberuhigung im innerstädtischen Bereich beitragen soll, bleibt unbeantwortet. Eine nachvollziehbare Verbindung zu den übrigen Verkehrsachsen wird nicht hergestellt.

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Der Flächenplan des ÖEK

Klingende Phrasen, leere Inhalte

Das Papier ist gespickt mit Begriffen, die auf den ersten Blick viel versprechen – und auf den zweiten nichts sagen:

- „Qualitätsvolle Gestaltung von Freiflächen“ – Was heißt das? Hochwertiger Beton und Asphalt? Echte Projektideen gibt es keine.

- „Klimafitte Gestaltung des Rathausplatzes“ – Wie genau? Offen.

- „Freihaltung von Transformationsflächen“ wie MUT-Gelände, Vogel/Xylem, Isover, ÖBB-Areal – aber wie, wenn diese Flächen in Privatbesitz sind? Keine Antwort.
Man könnte dort laut den Konzeptverfassern beispielsweise Wohnbau oder soziale Einrichtungen andenken – gleichzeitig wird jedoch von den Konzepterstellern eingeräumt, dass man gar nicht wisse, ob diese Flächen dafür überhaupt geeignet sind – etwa wegen ihrer bisherigen Nutzung als Industriegebiete und potenziellen Bodenbelastungen.

- Selbst beim grundsätzlich begrüßenswerten „Erhalt von Windschutzgürteln“ verweisen die Ersteller des Konzepts darauf, dass man keinen direkten Einfluss auf deren Nutzung hat – da Privatbesitz.

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Leitziele und "Maßnahmen" des ÖEK (1 von 2)

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Leitziele und "Maßnahmen" des ÖEK (2 von 2)

Fehlende Vision – oder schon Resignation?

Als bestenfalls irritierend kann eine Aussage von Bürgermeisterin Völkl gewertet werden, die im Rahmen des Präsentationsabends am 16. Juni 2025 in einem persönlichen Gespräch fiel:
„Was willst mit der Innenstadt? Da gibt’s eh nix mehr.“

Nicht offiziell präsentiert, aber ausgesprochen – und bezeichnend für die Haltung gegenüber der Stadtmitte.
Fehlt hier die Vision für eine lebendige Innenstadt – oder ist das bereits Resignation?
Gerade jetzt, wo mit dem neu gegründeten – und ausdrücklich bürgerinitiierten – Verein „Miteinander für Stockerau“ erste Schritte gesetzt wurden, um das Zentrum wieder in den Fokus zu rücken, wäre eine klare Strategie wichtiger denn je. Wer die Innenstadt vorschnell aufgibt, verspielt ihre Zukunft.

Fazit: Ein Konzept, das keines ist

Das ÖEK soll bis November beschlussfertig sein und kann dann ab Ende November 2025 im Gemeinderat beschlossen werden. In seiner jetzigen Form ist es dafür nicht tragfähig. Es liefert keine Leitlinien, keine Vision und keinen Plan – sondern dokumentiert den Status quo und ummantelt ihn mit wohlklingenden Phrasen.

Wer ernsthaft an der Zukunft von Stockerau arbeiten will, braucht mehr als Worthülsen und Karten. Man braucht Ziele, Transparenz, Beteiligung – und vor allem: einen echten Plan.

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