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Rüge des Rechnungshofs: Mangelnder Klimaschutz in Wiener Neustadt

Am 18. Oktober veröffentlichte der Rechnungshof einen Bericht, der die Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in den Städten Wels und Wiener Neustadt evaluiert hat. Das Ergebnis ist wenig erfreulich.

Konzepte der Städte Wels und Wiener Neustadt

Im direkten Vergleich schneidet das blaue Wels besser ab als das bunte Wiener Neustadt.

Wels beauftragte im Jahr 2023 die Erstellung einer Anpassungsstrategie. In Wiener Neustadt beschloss der Gemeinderat im Jahr 2022 einen Stadtentwicklungsplan, der unter Einbindung der Bevölkerung erarbeitet wurde. Die daraus abgeleitete Anpassungsstrategie enthielt lediglich zwei konkrete Maßnahmen mit Pilotprojekten [1]. Der Welser Magistrat hatte seit 2019 eine eigene Referentin für Klima– und Umweltschutz. Im Wiener Neustädter Magistrat betreute die Gruppe Stadtentwicklung, Verkehr, Umwelt und Energie diese Themen mit. Die Gruppe wurde mit Juli 2023 in eine Stabsstelle umgewandelt; ein eigenes „Klimareferat“ gab es nicht [2].

Stadtklimaanalysen sind eine wichtige Voraussetzung, um Frischluf– und Kaltlufentstehungsgebiete, Frischlufkorridore (Ventlatonsbahnen) und Hitzeinseln zu identifizieren. Darauf aufbauend können Freihaltungs–, Entsiegelungs–, Begrünungs– und Beschatungsmaßnahmen gesetzt werden. Für Wels und Wiener Neustadt lagen keine Stadtklimaanalysen vor. Die Stadt Wels beauftragte aber die stadtspezifische Aufbereitung einer Regionalklimaanalyse. Die Länder könnten die Städte dabei unterstützen, Anpassungsmaßnahmen aus stadtklimatischer Sicht zu beurteilen und Stadtklimaanalysen zu erstellen [3].

Wir empfehlen den gesamten Bericht zu lesen, da er sichtlich zusammenfasst, was wir seit Jahren kritisieren: Die Stadtregierung genügt sich mit grüner Kosmetik für die One-Man-Show des Bürgermeisters. Dabei werden Maßnahmen mit minimalem Effekt in protzigen Pressemeldungen als großer Wurf verkauft.

Die Reaktion der Stadt

Eine bodenständige Politik würde den Bericht des Rechnungshofs mit offenen Armen begrüßen, da zwar scharfe Kritik geäußert wird, aber auch konkrete Maßnahmen zur positiven Entwicklung unserer Stadt empfohlen werden. Leider ist das politische Klima in Wiener Neustadt von Eitelkeit und Misstrauen geprägt. Bürgermeister Schneeberger wetterte sofort gegen den Rechnungshof und schürte Zweifel an einer der wichtigsten Kontrollinstanzen der Republik [4].

Was steckt hinter seinem verwirrten Ausbruch? Ein Blick in die Gemeinderatssitzung vom 21. Oktober zeigt: Die Stadtregierung hat den Bericht nicht einmal zur Kenntnis genommen. Alle Fraktionen, mit Ausnahme der Grünen, entschlossen sich dazu, ihre Untätigkeit zu ignorieren oder zu relativieren. Besonders frustriert äußerte man sich über den Umstand, dass der Rechnungshof keine vorherige Einsicht in den Bericht erlaubte [5].

In anderen Worten: Die Stadtregierung, die durch Message-Control stetig versucht das lokale Narrativ zu ihren Gunsten zu bändigen, sah sich mit Unwissenheit konfrontiert. Der zeitgleich veröffentlichte „Klimafahrplan 2040“ [6], basierend auf den Klima-Projekten „Wiener Neustadt Klimaneutral“ [7] und „Klimaneutrales Wiener Neustadt 2040“ [8],  hatte dadurch nicht mehr den gewünschten Effekt. Statt Applaus gibt es Skepsis. 

Wir stellen uns die Frage, warum ein so wichtiger Fahrplan so langsam voranschreitet. Offiziell wird seit Oktober 2023 die Klimaneutralität angestrebt, doch bis Oktober 2028 soll erst der Fahrplan finalisiert werden. Bislang wurde lediglich eine neue Stabstelle eingerichtet, ohne die Bürokratie dahinter zu reduzieren oder konkrete Schritte zur Umsetzung zu ergreifen. Warum nimmt sich die Stadt fünf Jahre Zeit, um ihr Handeln zu überdenken, wenn der Rechnungshof in vier Monaten einen 100-seitigen Bericht samt konkreten Handlungsempfehlungen erstellen kann?

Wir verweisen zu der gesamten Thematik außerdem auf dem seit 2012 geltenden Status der Klima- und Energiemodellregion. Auf der Webseite ist klar zu lesen, dass nur eine Handvoll an Maßnahmen durchgeführt wurden. Der Rest befindet sich seit Jahren im Planungs-Limbo [9].

Nur Pink kann Grün

Die Bürger:innen von Wiener Neustadt verdienen eine Politik, die sich ehrlich um Klimaschutz bemüht und spürbare Verbesserungen im städtischen Alltag umsetzt. Wir fordern einen neuen, transparenten Handlungsplan, der auf den Empfehlungen des Rechnungshofs basiert, um das Mikroklima der Stadt zu verbessern. Ein solcher Plan muss an einen Regierungsmonitor gekoppelt sein, um Transparenz und Kontrolle zu gewährleisten. Unsere Vorschläge liegen bereits seit längerem auf dem Tisch:

  1. Spürbare Entlastung beim Strompreis durch Energiegemeinschaften und Bürger:innenkraftwerke. Netzausbau in Kooperation mit Landesenergieversorgern, mit Vorrang für dezentrale erneuerbare Energieerzeugung, Energieversorgung und Energieverteilung.
  2. Erfassung von Hitzeinseln-Risiken und entsprechende Maßnahmen (z.B. Versickerungs- und Grünflächen, Begrünung an stark frequentierten Orten, Dächer- und Fassadenbegrünung, ...).
  3. Ausbau und Optimierung des öffentlichen Nahverkehrs. Sichere und flächendeckende Rad- und Gehwegen. Bedarfsorientierte Buslinien, gerade zu Stoßzeiten, nachts und sonntags.


 

[1] Bericht des Rechnungshofs, S. 30-32. 

[2] Ebd; S. 33-34.

[3] Ebd; S. 35-39.

[4] Statement des Bürgermeisters

[5] 5. öffentliche Sitzung des Gemeinderates am 21.10.2024

[6] Aussendung auf der Stadtwebseite

[7] Wiener Neustadt Klimaneutral

[8] Klimaneutrales Wiener Neustadt 2040

[9] Wiener Neustadt - wn.energiefit

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