Kanalgebühren: Der rechnungshof ist am Wort
Unsere Eingabe an den Rechnungshof zur Überprüfung der Berechnung der Kanalgebühren
NEOS Perchtoldsdorf
18.4.2024
An den
Rechnungshof Österreich
Dampfschiffstraße 2
1030 Wien
Anregung zur Überprüfung der Kanalbenützungsgebühren der Marktgemeinde Perchtoldsdorf
Sehr geehrte Damen und Herren,
ausgehend von den Informationen und Daten für die Berechnung des Einheitssatzes für die Schmutzwasserentsorgung, die der Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde Perchtoldsdorf zugrunde gelegt wurden, erscheint es, dass die landesgesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden.
Der den beiden Beschlüssen des Gemeinderates der Marktgemeinde Perchtoldsdorf zugrundeliegende Einheitssatz von €3,73 je m² Berechnungsfläche und Jahr ist nicht richtig berechnet, da er
- kalkulatorische Zinsen in unzulässigem Ausmaß;
- Kosten, die nicht durch die Leistungserbringung entstehen;
enthält.
Es besteht somit die begründete Annahme, dass die Marktgemeinde Perchtoldsdorf bei der Festlegung der Gebühren nicht nur von jenen Kosten, die der Gemeinde bei einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Führung der Einrichtung tatsächlich erwachsen sind bzw. erwachsen würden, wie es der Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis 25. Juni 1975, Zl. V12/74; VfSlg. 7583/1975) fordert, ausgegangen ist.
Da die Nachkalkulationen zur Überprüfung des Äquivalenzprinzips (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs Verfassungsgerichtshof vom10. Oktober 2001, Zl. B260/01) nach denselben Kalkulationsprinzipien erfolgt, ist davon auszugehen, dass dieser Überprüfung überhöhte Kosten zugrunde gelegt werden und somit genau der Fall eintritt, dass den Benützern von Gemeindeeinrichtungen neben der Anlastung der vollen Kosten der Gemeindeeinrichtung im Sinne des Äquivalenzprinzips zusätzlich noch eine Steuer auferlegt wird.
Um diese nicht ordnungsgemäße Vorgehensweise der MG Perchtoldsdorf zu beenden, ersuche ich um eine begleitende Prüfung durch den Rechnungshof.
Sachverhalt:
Der Gemeinderat der Marktgemeinde Perchtoldsdorf hat am 12. Dezember 2023 die Erhöhungen der Kanal- und Wassergebühren beschlossen. Der den landesgesetzlichen Erfordernissen entsprechende und betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Einheitssatz für die flächenbezogene Gebühr wurde (Anlage „Anlage 2 zu TOP 16a, GR 12.12.2023“) mit €3,73 je m² Berechnungsfläche und Jahr angegeben. Der gewählte Einheitssatz für die flächenbezogene Gebühr wurde mit €4,20 je m² Berechnungsfläche und Jahr festgesetzt.
In der Folge hat der Gemeinderat der Marktgemeinde Perchtoldsdorf am 31. Jänner 2024 den gewählten Einheitssatz für die flächenbezogene Gebühr mit €3,60 je m² Berechnungsfläche und Jahr festgesetzt (Anlage „Anlage 1 zu Dringlichkeitsantrag TOP XX, GR 31.01.2024“). Die Berechnungsgrundlage (Anlage „Anlage 2 zu Dringlichkeitsantrag TOP XX, GR 31.01.2024“) blieb inhaltlich und betragsmäßig unverändert zu der Berechnung vom Dezember 2023.
Ich habe mich mit der Bitte um Überprüfung der Berechnung des Einheitssatzes durch die Marktgemeinde an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung gewandt. Dieses hält in seiner Anfragebeantwortung vom 13. März 2024 fest (Anlage „Anschreiben NÖLReg 20240313“), dass Zinsen nicht zweifach als Ausgabe bei der Ermittlung des Jahresaufwandes berücksichtigt werden dürfen, wie dies in der Berechnungsgrundlage der angeführten Gemeinderatsbeschlüsse erfolgt ist.
Weiters führt das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung im genannten Schreiben aus, dass nur Aufwände der Gemeinde, die einen inneren Zusammenhang mit dem Betrieb Abwasserbeseitigung aufweisen, in der Berechnung berücksichtigt werden dürfen.
In ihrer Darstellung der Kalkulation der Berechnungsgrundlagen (Anlage „Präsentation_Gebühren_Kanal_2024_20240118[1]“) führt die Marktgemeinde Perchtoldsdorf auf Folie 10 die nach ihrer Meinung direkt dem Betrieb Abwasserbeseitigung zuordenbaren Aufwände an und setzt sie in Relation zu dem Gesamtaufwand der Gemeinde:
NTVA 2023 | VA Ansätze/Positionen | ||
Gesamtaufwand Gemeinde | 47.751.900,00 | 1. NTVA 2023, S. 27, Pos. 22 Ʃ Aufw. | |
Aufwand direkt zuordenbar Kanal | 3.482.400,00 | 851000-85110; 1.NTVA 2023, S. 326+330, Pos. SU 22/32 Ʃ A | |
Verhältnis | 7,29% |
Da eine betriebswirtschaftlich exakte Erhebung der für den Betrieb Abwasserbeseitigung anfallenden Kosten nicht erfolgt, wird der sich daraus ergebende Prozentsatz von 7,29% zur Berechnung der anteiligen Gemeinkosten herangezogen und auf die Bereiche „im engeren Zusammenhang“ angewendet.
Als solche Bereich werden angeführt:
Bereiche in engem Zusammenhang | Betrag | NTVA 2023 Ansatz/-summe |
Amtsdirektion | 1.294.900,00 | 011000 |
Amtshaus | 593.700,00 | 029000 |
Bau- und Feuerpolizei | 61.000,00 | 131000 |
Bauamt | 1.157.100,00 | 030000 |
Elektronische Datenverarbeitung | 433.900,00 | 016000 |
Finanzabteilung | 707.100,00 | 900000 |
Fuhrpark | 486.900,00 | 821000 |
Gemeindestraßen | 765.500,00 | 612000 |
Gewählte Gemeindeorgane | 706.300,00 | 000000 |
Meldeamt | 77.600,00 | 023000 |
Rathaus | 150.500,00 | 029100 |
Schulungskosten | 30.000,00 | 091000 |
Pensionen | 894.200,00 | 752000 |
Straßenreinigung | 387.700,00 | 814000 |
Wirtschaftshof | 1.784.100,00 | 820000 |
Ges.AW f. Bereiche im e. Zusammenhang | 9.530.500,00 | |
davon 7,29% gerundet | 695.030,21 |
Dieser Prozentsatz von 7,29% ist nicht gerechtfertigt, da der direkt dem Betrieb Kanal zugeordnete Aufwand Kosten aus dem Lieferübereinkommen mit der Stadt Wien iHv € 1.991.300,- enthält (Folie 9 der Präsentation der Marktgemeinde).
Diesen Kosten stehen keine erheblichen Verwaltungsaufwände der Gemeinde gegenüber, da es sich lediglich um Eingangsrechnungen handelt. Die Bearbeitung von Akontorechnungen verursacht keinen nennenswerten Bearbeitungsaufwand. Lediglich die Jahresabrechnung erfordert einen gewissen Prüfungsaufwand.
Wenn man diese Position aus der Basis für die Berechnung herausnimmt, ergibt sich mit 3,12% ein wesentlich geringerer Prozentsatz für die Berechnung der anteiligen Gemeinkosten. Bei Anwendung dieses Prozentsatzes ergeben sich unter Beibehaltung der übrigen Ansätze der Gemeinde €297.599,23 an anteiligen Gemeinkosten.
Weiters enthalten die von der Marktgemeinde für die Berechnung herangezogenen Ansatzsummen Kosten, die nicht „im engeren Zusammenhang“ mit dem Betrieb Kanal stehen (siehe Anlage „MGP Visio-Dienstpostenplan_2023_10_01“ und „11_1 NTVA_2023_MGP_Beilage“). So wurden beim
Ansatz Amtsdirektion:
o die Personalkosten in voller Höhe einbezogen, die u.a. Liegenschaftsverwaltung, Bürgerservice, Administration Bürgermeisterin und Administration Gemeindevorstand und Gemeinderat beinhalten;
o der gesamte Rechts- und Beratungsaufwand einbezogen, obwohl die Kosten im Wesentlichen für Bauangelegenheiten angefallen sind;
o der gesamte Versicherungsaufwand einbezogen;
o die Entgelte für sonstige Leistungen ohne Differenzierung des Bezugs zum Betrieb Kanal einbezogen.
Ansatz Elektronische Datenverarbeitung:
o die vollen Kosten einbezogen, obwohl die Vorschreibung und Einhebung der Gebühren durch den Gemeindeverband für Abgabeneinhebung und Umweltschutz Mödling erfolgt.
Ansatz Fuhrpark:
o die vollen Kosten einbezogen, obwohl dem Betrieb Kanal keine Fahrzeuge zugeordnet sind;
o der Ansatz die für die Schneeräumung, Straßenreinigung, gärtnerische Betreuung und den betrieb Wasser benötigen Fahrzeuge enthält, die aus der Berechnung auszunehmen sind.
Ansatz Gemeindestraßen:
o die gesamte Instandhaltung des Straßennetzes enthält;
o die Abschreibung für das Straßennetz enthält.
Ansatz Meldeamt:
o die gesamten Kosten angesetzt, obwohl die Berechnung der Kanalbenutzungsgebühren in keinem Zusammenhang mit dem Meldewesen, sondern den Berechnungsflächen steht.
Ansatz Wirtschaftshof:
o die gesamten Personalkosten angesetzt, obwohl nur für den Bereich Werkstätten ein Bezug zum Betrieb Kanal besteht;
o Gärtnerei, Entsorgung Altstoffsammelzentrum und Winterdienst in voller Höhe einbezogen wurden.
Gänzlich ungerechtfertigt ist die Einbeziehung des Ansatzes Rathaus, da das Perchtoldsdorfer Rathaus den Trauungssaal, Ausstellungsräumlichkeiten und einen Sitzungssaal, aber keine Verwaltungsräumlichkeiten, die im Zusammenhang mit dem Betrieb Kanal stehen, umfasst.
Ebenso ungerechtfertigt ist die Einbeziehung des Ansatzes Straßenreinigung, bei dem kein Zusammenhang mit dem Betrieb Kanal besteht
Ich bitte um Kenntnisnahme und Prüfung, ob aus Sicht des Rechnungshofes Maßnahmen erforderlich sind.
Mit vorzüglicher Hochachtung,
Dr. Anton PLATT
Gemeinderat | Fraktionsobmann NEOS Perchtoldsdorf